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Maschinen am Flughafen Leipzig/Halle: Gegner der Ausbaupläne wollen in einen Austausch mit Ministerpräsident Kretschmer treten. Den Ausbau lehnen sie aber weiter ab – und verweisen auf neue Entwicklungen.

Fluglärmgegener wollen Dialog mit Sachsens Ministerpräsident Kretschmer

Die Kritiker des geplanten Ausbaus am Flughafen Leipzig/Halle wollen mit dem Regierungschef verhandeln. In einem offenen Brief Präsentieren Sie neue Argumente gegen das Projekt

LVZ 05.05.2023 von Florian Reinke

Leipzig/Schkeuditz:

In den Streit um den Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle kommt neue Bewegung: Die Gegner des Vorhabens haben nun versöhnliche Töne angeschlagen – und sich mit einem Gesprächsangebot an den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) gewandt. So geht es aus einem Brief an ihn hervor, den Mitglieder der Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“ verfasst und lanciert haben.

In dem an Sachsens Regierungschef gerichteten Schreiben betonen die Autoren, „mit Interesse und auch mit Freude“ vernommen zu haben, „dass Sie offensichtlich nun einen Schritt auf die Kritiker der Ausbaupläne zugehen wollen. Wir sind gespannt, ob unsere Probleme diesmal tatsächlich fair erörtert und auch in unserem Sinne gelöst werden oder ob die wirtschaftlichen Interessen der DHL erneut alleiniges Ausrichtungsmerkmal im Diskurs sind“, heißt es im Schreiben, das vom Sprecher der Initiative, Matthias Zimmermann, im Namen des Aktionsbündnisses gegen den Ausbau unterzeichnet wurde. Bislang hätten sich „derartige Ankündigungen und Gremien lediglich als heiße Luft entpuppt“.

„Nehmen Angebot eines direkten Dialogs an“

Die Avance der Ausbaukritiker folgt auf Aussagen des Ministerpräsidenten in Schkeuditz. Anlässlich der Neueröffnung des „LEJ Campus“ hatte Kretschmer im September auch Bereitschaft zum Dialog signalisiert. Fragen und Themen, die Anwohner rund um den Flughafen beschäftigten, könne man „fair klären“, sagte er.

Vor diesem Hintergrund hieß es nun von der Leipziger Bürgerinitiative: „Wir nehmen also gerne, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, Ihr Angebot eines direkten Dialoges auf höchster Landesebene an. Gern stellen wir uns auch einer öffentlichen Diskussion.“ Eine Reaktion auf das Schreiben sei bei ihm noch nicht eingegangen, erklärte Sprecher Zimmermann auf Nachfrage. Die Staatskanzlei äußerte sich zum Thema auf Anfrage nicht.

Kritiker fordern Stopp der Ausbaupläne

Mit dem Ausbau will die Flughafen Leipzig/Halle GmbH vor allem das Flughafenvorfeld erweitern. Dazu gehören laut Airport etwa die Rollwege und Standplätze für Frachtflugzeuge. Vom Ausbau profitieren soll vor allem DHL: Der Logistikkonzern betreibt am Airport sein weltweit größtes Drehkreuz. Derzeit läuft mit dem Planfeststellungsverfahren der Genehmigungsprozess. Weil Prognosen von einem Anstieg der Nachtflüge infolge des Flughafenausbaus ausgehen, sind die Pläne stark umstritten.

Mit dem Gesprächsangebot deutet sich zwar eine leichte Entspannung in der mit Schärfe geführten Diskussion an – inhaltlich kommt von den Kritikern aber weiterhin Gegenwind. Die Leipziger Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“ führt jetzt neue Argumente an: Sie sind der Meinung, dass der Ausbau auch aufgrund geänderter Rahmenbedingungen nicht weiterverfolgt werden sollte. Nach Angaben der Initiatoren wurden entsprechende Anmerkungen auch dem Petitionsausschuss des Sächsischen Landtags übergeben, dort ist eine Petition gegen den Ausbau anhängig.

Frachtmengen am Airport Leipzig/Halle gehen zurück

Unter anderem verweist die Bürgerinitiative auf Rückgänge im Frachtgeschäft. Tatsächlich sanken auch am Flughafen Leipzig/Halle zuletzt die Frachtmengen: Laut Verkehrsstatistik ging das Fracht- und Postvolumen im Jahr 2022 um rund 5,1 Prozent zurück. „Der Welthandel befindet sich in einem Abwärtstrend. Daher ist ein Aufbau zusätzlicher Kapazitäten am Frachtflughafen nicht erforderlich“, resümieren die Kritiker. Eher solle „ein sukzessiver Rückbau in Erwägung gezogen werden“. Auch auf den Anstieg der Investitionskosten wird verwiesen – durch die Preissteigerungen lagen diese nach Berechnungen der Autoren im vergangenen Jahr bei 617 Millionen Euro.

Inflation wirkt sich auf Frachtgeschäft aus

Angesprochen auf diese Entwicklungen, wies das Sächsische Wirtschafts- und Verkehrsministerium gegenüber der LVZ darauf hin, dass die Prognosen zum Frachtaufkommen von der Genehmhigungsbehörde im laufenden Abwägungsprozess überprüft würden. Angeschaut werde sich hier auch, ob etwa beim Klimaschutz „durch das beabsichtigte Vorhaben alle relevanten und derzeit gültigen gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden“.

Auf Rückgänge im Frachtgeschäft wiesen auch von der LVZ befragte Experten hin, wenngleich von einer Erholung ausgegangen wird. Gründe für die Eintrübung sind demnach vor allem die aktuellen Rahmenbedingungen wie Inflation und Lieferengpässe. Hartmut Fricke, Leiter des Instituts für Luftfahrt und Logistik an der TU Dresden, erklärte indes, man müsse die Entwicklungen im Frachtgeschäft nun „gut beobachten“.

Rückzug von Amazon Air sorgte für Unruhe

So heiße es vonseiten der Politik, dass ein „Bestellwahnsinn“ nicht förderlich sei. „Die Gesellschaft scheint dies in zunehmendem Maße nachzuvollziehen, und dies könnte die Expressfracht unter Druck setzen. Auf der anderen Seite gibt es klare Signale seitens DHL, höhere Kapazitäten in Leipzig realisieren zu wollen.“ Für Unruhe rund um den Airport hatte in der vergangenen Woche bereits Amazon gesorgt: Die Amerikaner gaben bekannt, das Drehkreuz von Amazon Air in Schkeuditz zu schließen. Auch hier verwiesen Fachleute auf Veränderungen im internationalen Frachtgeschäft.